Eine historische Eishockeynacht

Manfred Kraus erinnert in einem Gastbeitrag an das Marathonmatch des Vorjahres


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Gleich würde Mitternacht sein. Die betagte Stadionuhr zeigte auf dreiviertel zwölf. Trotzdem wurde am Berliner Platz noch immer Eishockey gespielt. In der Luft lag atemlose Spannung. Die Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Da legte Rob Kwiet auf Daniel Oppolzer, von dem der Puck zu Tim Richter wanderte. Der zog sofort ab und sein Schuss saß. Die Scheibe zappelte im Heilbronner Netz. Einen Augenblick lang schien die Zeit innezuhalten, um sich zu besinnen. Dann zerbarst die Stille in einem ohrenbetäubenden Aufschrei. Von den rotgelben Herzen purzelten die Steine. Die altehrwürdige Eishalle erbebte. Es war geschafft. Endlich geschafft. Im sechsten Drittel. Nach viereinviertel Stunden. In der einhundertundachten Minute. Der ESV Kaufbeuren hatte die Falken bezwungen. 5:4. Die Serie stand wieder pari.

Vor einem Jahr erlebte Kaufbeuren eine historische Eishockeynacht. Am 8. April 2015 ging die aufsehenerregende vierte Playdownpartie des ESVK gegen die Heilbronner Falken in die dritte Verlängerung. Sie nahm schier unglaubliche 107 Minuten und sieben Sekunden effektive Spielzeit in Anspruch. Ein denkwürdiger Abend mit einem epischen Duell zweier Mannschaften, die alles in die Waagschalen warfen. Ein Marathonmatch, das sich zu einer der fünf längsten Partien der deutschen Eishockeygeschichte entwickelte. Ein aufopferungsvoller Kampf, der eindrucksvoll die Bedeutung von Willenskraft und Leidenschaft unter Beweis stellte.

„In der Kabine war es um Mitternacht sehr ruhig, da wir alle auf dem Zahnfleisch daherkamen und keine Energie mehr für Luftsprünge hatten", erzählte mir Sturmführer Daniel Menge später einmal, „dennoch waren wir sehr glücklich. Jetzt wussten wir, dass wir die Serie packen würden."

Sie hatten sich nicht unterkriegen lassen, die hingebungsvoll kämpfenden Buron Joker, obwohl das Spiel und mit ihm die ganze Serie auf des Messers Schneide gestanden hatte, obwohl ihnen mehr als unfassbare siebenundvierzig Minuten Verlängerung abverlangt wurden, obwohl sie an ihre Grenzen und darüber hinaus gehen hatten müssen. Sie hatten nicht klein beigegeben, sondern ihr Herz in beide Hände genommen und mit unbändigem Siegeswillen das Endlosspiel und das Momentum auf ihre Seite geholt, um es festzuhalten und nicht mehr wieder herzugeben.

Auch heuer heißt unser Playdowngegner Heilbronn. Es geht um die Wurst. Wieder steht der Klassenerhalt auf dem Spiel. Crunch Time am Berliner Platz, wo die rotgelbe Anhängerschaft wie ein Mann hinter ihrer Mannschaft steht. Wenn die Beine dann aber doch einmal schwer werden sollten, lohnt ein Gedanke an das atemberaubende Marathonmatch und den Sieg in der einhundertundachten Minute. Er steht als Symbol für das, worauf es ankommt: Joker geben niemals auf.

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